Situation verändern sich. Angeblich
sind Saturation genau wie Schneeflocken. Es sollen keine zwei
identischen existieren. Man kann es natürlich nicht beweisen, aber
man kann daran glauben. Jeder Moment ist einzigartig, in exakt dieser
Konstellation gab es nie einen anderen und ein zweiter wird nie
erschaffen werden.
Der Glauben ist wichtiger, als sich
viele Rationalisten eingestehen wollen. Jede Idee besteht aus
glauben, und aus Ideen entstehen Ideale. Menschen haben ein
Verlangen, nach dem nicht-greifbarem. Dem Etwas.
Oft sitze ich
nachts in der S-Bahn und beobachte die Leute. Ich versuche mir dann
vorzustellen, was sie gerade empfinden. Dass ihren unergründlichen
Mienen nur wie eine unberührte Wasserfläche ist, hinter denen
stille Wesen Namens Erinnerungen ihre Wege bahnen. Regungslos
richtigen sich ihre Augen gegen die surreale, nächtliche Außenwelt,
welche hinter dem spiegelnden Glas verborgen liegt. Laternen und
Werbetafeln rasen wie Sternschnuppen vorbei. Ein Augenzwinkern und
sie hätten für diese Menschen nie existiert. Auch so tun sie nichts
zur Sache. Die rhythmisch vorbeiziehenden Lampen sind wie der
pulsierende Herzschlag der Stadt. Nur ein Augenzwinkern und das Herz
macht einen Satz. Ab und zu kreuzt sich der Weg mit einer anderen
Bahn, ein helles Strahlen, wie ein Adrenalinschub. Durch die
Kollisionen der Luftströme geht ein Ruck durch den metallenen
Körper des Kolosses, wie ein Muskelzucken, kurz vor dem Einschlafen.
Ein winziger Moment der Stille, kaum wahrnehmbar, dann geht es wieder
weiter.
Die Augen der Menschen bemerken die
Außenwelt kaum. Von der Realität bleibt nur eine schemenhafte
Spiegelung ihrer Selbst. Bei absoluter Stille, wenn es scheint, als
würde alles, bis auf die Stadt in einem ewigen notwendigem Frost
erstarrt sein, da sind diese Menschen am Regesten. Ihre Gedanken
wirbeln umher, oft zwischen wahren, vergangenen Ereignissen und
Träumerei im Zwielicht. Von den meisten Tagen bleibt nichts als ein
vergessener Kalendereintrag, Nichtigkeiten des Alltags.
Wäsche waschen.
Glühbirnen kaufen.
Aus der Kindheit bleiben viele dieser
anscheinend banalen Bruchstücke der eigenen Geschichte. Diese
vergehen mit der Zeit, aus Kontrasten lernt unser Gedächtnis meist
wichtige Saturationen von anderen zu trennen.
Knotenpunkte.
Eckpfeiler.
Einige Details bleiben trotzdem
bestehen. Und in diesen befinden sich meine Mitreisenden nun.
Vollkommen zufällig ausgewählte Ereignisse, ein Rauchring,
unbewusst herbeigeführt an einem sonst nicht erwähnenswerten Tag.
An einem regnerischen Tag die Straße entlanggehen. Die Dynamik der
Musik im Ohr steigert sich und während der ersten Klang des Refrains
erklingt, verspürt der Körper plötzlich das Verlangen nach
Bewegung, nach dem Kontrollverlust, dem Ausbruch, dem Rennen.
Ich sitze in der S-Bahn. Absolute
Stille um mich herum. Die Leute um mich herum versinken in einem Meer
aus Vergangenem. Es ist keine Zeit des Schaffens in der nächtlichen
Bahn. Es ist Reanimation. Das kann ich natürlich nicht beweisen.
Aber ich kann es glauben.
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